Arbeitsoptimierung – die Notationssoftware Dorico 4.0

Immer mehr Musikschaffende in den Bereichen Komposition, Arrangement und Pädagogik, aber auch praktisch Musizierende aller Couleur nutzen die fortschrittlichen Möglichkeiten der Notationssoftware Dorico. Seit der Veröffentlichung von Dorico 3.5 im Frühjahr 2020 hat sich viel getan. In mehreren Zwischenupdates hat Steinberg weitere Verbesserungen eingeführt, die die Funktionalität noch gesteigert haben. Einen Vorgeschmack auf Dorico 4.0 lieferte bereits die Dorico-App für das iPad von Apple, die im Juli letzten Jahres veröffentlicht wurde. Jetzt sind nochmals weitere, insbesondere den Workflow verbessernde Funktionen in Dorico 4.0 hinzugekommen.

Steinberg Licensing

Mit Dorico 4.0 bricht bei Steinberg eine neue Ära des Lizenz-Managements an. Das alte Lizenzsystem, bei dem die Lizenz auf die Festplatte oder einem USB-eLicencer gespeichert wurde, ist nun Geschichte. Es ist durch ein modernes, personenbezogenes Online-Lizenzmanagement ersetzt worden, das allen Anforderungen gerecht wird. So ist es nun möglich, Dorico als Einzelanwender auf drei Computern zu nutzen. Mit dem zusätzlich installierten Steinberg Activation-Manager hat nun der Anwender die Möglichkeit, selbst diese Freischaltungen auf seinen Rechnern zu verwalten. Ebenso wird es im Laufe des Jahres mit dem neuen System möglich sein, Multilizenzen für Unternehmen und Bildungseinrichtungen wie z. B. in Klassenräumen, auf dem Universitäts-Campus, oder für Mitglieder von Institutionen zu verwalten und zugänglich zu machen. Das macht Dorico in der Anwendung wesentlich flexibler, da nun keine zusätzlichen USB-eLicencer mehr benötigt werden, um die Software auf mehreren Rechnern nutzen zu können.

Eine weitere Neuerung ist, dass nun Dorico 4.0 auf aktuellen Apple-Computern mit ARM-Prozessoren nativ läuft, was nochmals einen Geschwindigkeitszuwachs bringt. Selbstverständlich kann Dorico auch weiterhin auf Intel basierten Macs, wie auch Windows-Computern vollumfänglich genutzt werden.

Neuer Start

Nach dem Start von Dorico 4.0 präsentiert sich der Steinberg-Hub in neuem Gewand. So lassen sich die zuletzt bearbeiteten Projekte, die nun mit einer Miniaturvorschau dargestellt werden, öffnen. Des Weiteren gibt es jetzt einen Bereich „Lernen“, bei dem man direkten Zugriff auf praktische Einsteiger-Tutorials, den offiziellen Dorico-YouTube-Kanal, das Anwender-Forum und das Online-Handbuch hat. Eine weitere Neuerung ist der Projekt-Assistent, bei dem die wesentlichen Parameter wie Titel, Komponist, Format, Schriften, Taktart, Anzahl der Takte sowie die Tonart für ein neues Projekt eingestellt werden können.

Eingabe der Spieler, Instrumente und Ensembles

Die Reihenfolge der Instrumente in einer Partitur wurde bislang durch die Abfolge des Hinzufügens der Spieler festgelegt. Bisher war es auch schon möglich, die Anordnung der Spieler und Instrumente manuell durch Klicken und Ziehen mit der Maus in die gewünschte Order zu bringen. Jetzt sortieren sich die Instrumente automatisch in der gängigen Orchesterreihenfolge. Ebenso ist es nun möglich, durch Klicken auf eine Schaltfläche die Besetzung automatisch neu zu sortieren, sollte einmal etwas durcheinandergeraten sein.

Neu hinzugekommen ist die „Solist“-Funktion. Wenn ein Spieler als Solist gekennzeichnet wird, wird er automatisch an die Position oberhalb der Streicher einsortiert. Es ist nun auch möglich, bei der Auswahl der Instrumente ein eigenes Ensemble zusammenzustellen und dieses als Vorlage für neue Projekte abzuspeichern.

Eine weitere Besonderheit ist, dass die Eingabe der Instrumente auch per Kurzschrift für die Orchesterbesetzung erfolgen kann. So lassen sich große Besetzungen mit nur wenigen Eingaben schnell erstellen wie z. B. „22224231“ für 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen und eine Tuba.

Flexible Notenzeilenbeschriftungen

Bei der Notenzeilenbeschriftung kann nun in den Layout-Optionen für jede Notenzeile gewählt werden, ob diese wahlweise mit dem Instrumenten- oder Spielernamen beschriftet werden soll. Dadurch ist es auch möglich, wenn ein Spieler mehrere Instrumente spielt, z. B. Altsaxophon, Flöte und Klarinette, diesen mit z. B. „Reed“ zu beschriften. Des Weiteren gibt es nun die Möglichkeit, bei transponierenden Instrumenten zwischen deutschen und internationalen Bezeichnungen wie z. B. Trompete in B, Trompete in Bb, Horn in Es oder Horn in Eb beliebig auszuwählen.

Erweiterte Möglichkeiten

In Dorico war es bisher möglich, Noten entweder per Mausklick über die Computertastatur per zusätzlichem MIDI-Eingabegerät, entweder Step-by-Step oder in Echtzeit auf einem MIDI-Keyboard einzugeben. Bei der schrittweisen Eingabe lässt sich sogar auswählen, ob die Notendauer, oder die Tonhöhe zuerst festgelegt werden soll. Äußerst fortschrittlich ist ebenfalls die Möglichkeit, bereits eingegebene Noten nachträglich nicht nur in der Tonhöhe, sondern auch auf der Zeitachse zu verändern. D. h. eine eingegebene Note kann um einen beliebigen Wert verlängert, verkürzt und/oder verschoben werden.

Neue Eingabemöglichkeiten, Key-Editor

Mit Version 4.0 sind noch weitere Möglichkeiten hinzugekommen. So können nun Noten über eine virtuelle Klaviatur, ein Griffbrett für Instrumente mit Bünden, oder Drumpads für Perkussionsinstrumente eingegeben werden. Auf berührungsempfindlichen Bildschirmen von Windows-Geräten, wie z. B. Windows-Surface, können diese Eingabemöglichkeiten jetzt auch mit den Fingern genutzt werden.

Eine weitere Neuerung ist der Key-Editor im Schreiben-Modus, der nun das gleichzeitige verknüpfte Bearbeiten der Noten und der MIDI-Daten wie mit einem Sequenzer-Programm ermöglicht. Ein neues Werkzeug in diesem Zusammenhang ist das Histogramm, mit dem man die Anschlagsstärke ausgewählter Noten und MIDI-Controller-Daten auf unterschiedliche Weise bearbeiten kann. So kann man die Werte absolut und relativ verändern, oder man kann diese komprimieren oder mit einem Zufallswert versehen. Es ist so nun sehr schnell möglich, die Anschlagsstärke an andere Klangerzeuger, die mitunter unterschiedlich darauf reagieren, anzupassen. All diese neuen Möglichkeiten befinden sich neben den Eigenschaften in der unteren Zone des Fensters und können nach Bedarf umgeschaltet werden.

Wiedergabe-Modus

Der Wiedergabe-Modus inklusive des Mixers wurde ebenfalls komplett überarbeitet. So sind nun alle relevanten Spur-Parameter wie das Routing, Insert-Effekte, Fader etc. auf der linken Seite wie in einem MIDI-Audio-Sequenzer zusammengefasst. Neu ist auch die wählbare, individuelle Darstellung und Bearbeitung aller einzelnen Stimmen innerhalb eines Instrumentes.

Der komplette Mixer erscheint ebenfalls in neuer, überarbeiteter Optik und kann separat z. B. auf einem zweiten Monitor dargestellt werden. Im Bereich der Audiobearbeitungsmöglichkeiten sind weitere Plugins wie z. B. der vollständig individualisierbare Multimeter-Audio-Analyzer „SuperVision“, wie auch Verstärker- und Lautsprechersimulationen für Gitarre und Bass hinzugekommen. Des Weiteren ist es nun möglich, neben WAV und MP3, Audio-Dateien verlustfrei mit dem FLAC-Codec zu exportieren.

Jump bar – Die Kurzbefehlleiste

Mit dem Tippen auf die Taste „J“ öffnet sich die Kurzbefehlleiste, von der aus man jeden Ort im Programm via Kurzbefehl erreichen kann. Zum einen gibt es hier die Möglichkeit, über „Gehe zu“ direkt zu einem Takt, auf eine Seite oder zu einem beliebigen Studierzeichen zu springen.
Zum anderen können über „Befehle“ weitere zeitsparende Funktionen und Befehle ausgeführt werden. So können auch über einen Alias bereits vorhandene Tastaturbefehle hier eingebunden werden.

Instrumentenfilter

In der fortlaufenden Ansicht ist es nun möglich, individuell Instrumente auszublenden bzw. die Instrumente oder Instrumentengruppen auszuwählen, an denen man zeitgleich arbeiten möchte, wie z. B. Holzbläser/Streicher oder Fagott/ Bassklarinette/Baritonsaxophon/Tuba.
So lassen sich bis zu zehn Instrumenten-Presets definieren, die man entweder über ein Instrumentenfilter-Overlay auf dem Monitor oder per Tastaturkürzel abrufen kann. So behält man bei größeren Ensemble- und Orchesterpartituren wesentlich leichter die Übersicht und kann noch effizienter arbeiten.

Nicht nur für Verlage – der Bibliotheksmanager

Eine absolut neuartige Verwaltung aller Projekteinstellungen bietet der neu hinzugekommene Bibliotheksmanager. Dieses Werkzeug bietet nun die Möglichkeit, die Einstellungen von Dorico-Projekten miteinander zu vergleichen und beliebige Parameter zu übertragen. So kann die geöffnete Datei mit den Werks- oder benutzerdefinierten Einstellungen abgeglichen werden. Oder es kann eine beliebige Projekt-Datei per Drag & Drop im Bibliotheksfenster abgelegt werden, um dann die gewünschten Einstellungen auszuwählen und zu übertragen.

Neue Tools für Komposition und Arrangement

Ebenfalls völlig neu und eine große Hilfe für das Importieren von Midi-Files bietet nun der neue Smart-Midi-Import. Midi-Files werden gerne genutzt, um digitale Noteninformationen samt Controllerdaten abzuspeichern und herstellerübergreifend weiterzugeben. Meist sind diese Midi-Dateien darauf ausgelegt, ein gutes klangliches Ergebnis auf elektronischen Musikinstrumenten und in Midi-Sequenzerprogrammen zu ermöglichen. Das funktioniert auch i. d. R. sehr gut. Was bisher nicht optimal funktioniert hat, ist die direkte Umsetzung der Midi-Daten in gut lesbare Noten. Mit dem neuen Smart-Midi-Import-Werkzeug können nun sofort beim Öffnen die richtigen Parameter pro Spur zugeordnet werden. So kann man z. B. direkt festlegen, ob ein Einzel- oder Ensemblespieler ausgewählt werden soll, bei welchen Spuren es sich um mehrstimmige Inhalte handelt, deren Stimmen automatisch oder mit fixem Trennpunkt aufgeteilt werden sollen. Keyswitches, das sind Noten im meist linken unteren Tastaturbereich, die zum Umschalten der Klänge von virtuellen Klangerzeugern notwendig sind, können direkt gefiltert werden. Des Weiteren werden Spielanweisungen, Triller, Tremolos, Bindebögen etc. ebenfalls entsprechend erkannt und in Notenschrift umgesetzt. Eine große Arbeitserleichterung stellt das Zusammenfassen von mehreren Midi-Spuren des gleichen Instrumentes zu einem Spieler dar. So können unterschiedliche Spuren mit z. B. verschiedenen Artikulationen direkt zu einem Spieler zusammengefasst werden.

Polyphone Midi-Transkription

In Dorico 4.0 gibt es nun einen Algorithmus, der entweder aus einem Midi-File oder einer Echtzeiteinspielung polyphone Stimmen erkennt und die Noten entsprechend mit flexiblem Trennpunkt in mehrere Zeilen aufteilt. So ist es ganz einfach geworden seine Ideen festzuhalten und gleichzeitig diese in korrekter Notation sichtbar zu machen. Falsche Stimmenzuordnungen können einfach durch Selektion der entsprechenden Noten mit der Taste „V“ korrigiert und in die andere Stimme übertragen werden.

Transformationswerkzeug

Ein weiteres wichtiges Kompositionswerkzeug ist nun auch mit an Board: das Transformationswerkzeug. So lassen sich jetzt mit einem Befehl selektierte Noten in Tonhöhe und Rhythmus beliebig umkehren, spiegeln, rotieren, invertieren oder einer anderen Tonskala zuweisen.

Projektaktivierung

Beim Öffnen von mehreren Projekten fragt Dorico 4.0, ob das zu öffnende Projekt aktiviert werden soll. Hier hat man nun die Wahl, ob alle Klänge geladen werden sollen oder nicht. Das hat nun den Vorteil, dass man beliebig viele Dateien öffnen kann, um z. B. nur Inhalte herauszukopieren, ohne lange Wartezeiten für das Laden der Klänge in Kauf nehmen zu müssen.

Insert-Modus

Der Insert-Modus der Noteneingabe, der es bisher ermöglichte, in einzelne Stimmen einer Zeile, unabhängig von allen anderen Spielern, Noten einzufügen, ist dahingehend erweitert worden, dass es nun möglich ist, entweder nur der einzelnen Stimme, dem aktuellen Spieler oder allen Spielern gleichzeitig Noten einzufügen. Eine weitere, wesentliche Verbesserung ist die Bearbeitungsstoppposition.

Diese rote Linie kann eingefügt werden, um die Insert-Bearbeitung zu begrenzen und die nachfolgende Musik nicht weiter zu verschieben.

Taktformatierung

Bisher war es natürlich auch schon möglich, individuelle Rahmen- und Taktformatierungen im Notensatz-Modus vorzunehmen. Jetzt ist das noch einfacher geworden, indem man ein Element des zu verschiebenden Taktes auswählt und den Takt mit der Komma- oder Punkt-Taste in das vorherige oder nachfolgende System verschiebt. Ebenso lässt sich nun ein Rahmen- und Taktlayout sperren oder zurücksetzen. In diesem Zusammenhang sei auch die nützliche Funktion erwähnt, dass es nun möglich ist, Layouts im Einrichten-Modus zu duplizieren, um ggf. ein anderes Taktlayout zu erstellen.

Weitere neue Features

Dorico 4.0 hat so viele neue Funktionen und Verbesserungen, dass es den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, um alles zu beschreiben. Hier noch ein weiteres Dutzend in Kurzform:

  • transponierte Darstellung von Kapodaster-Akkordsymbolen,
  • Fingersatzdarstellung in Akkorddiagrammen,
  • Klammern für Akkordsymbole
  • Nummerierung von sich wiederholenden Takten mit gleichem Inhalt,
  • einfaches Einfügen von musikalischen Symbolen mit dem Textwerkzeug,
  • zusätzliche Klammern für Generalbass,
  • intelligentes Ersetzen von Fonts: zeigt automatisch Symbole aus Bravura an, wenn sie in der gewählten Musikschriftart fehlen,
  • das neue Bibliothek-Menü beherbergt Optionen für Layout, Notensatz, Partien, Wiedergabe und Noteneingabe sowie alle Dialoge zur Bearbeitung von Bibliothekselementen,
  • für Leadsheets: Schlüssel- und Tonartdarstellung nur an erstem System,
  • automatisches generieren von Akkordsymbolen aus selektierten Noten,
  • Remote Control für Stream-Deck oder Metagrid,
  • Pausen können nun aus Percussion-Instrumenten entfernt werden,
  • normale Noten können nun in Vorschlagsnoten umgewandelt werden.


Dorico Elements 4.0

Auch für Dorico Elements 4.0 gibt es einige exklusive Neuerungen. So können jetzt Projekte mit bis zu 24 Spielern erstellt und bearbeitet werden. Dann gibt es einen Notensatz-Modus mit grafischem Editing, bei dem die Position von Elementen manuell verändert werden kann. Ebenso können die Sprache der Notenzeilenbeschriftungen und das Aussehen der Akkordsymbole individuell angepasst werden.

 

blasmusik Ausgabe 02-2022 | Autor: Markus Hartmann
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