Nach Drumset und Mandoline ist 2024 das tiefe Blech an der Reihe: Die Tuba wird Instrument des Jahres! Die 2008 vom Landesmusikrat Schleswig-Holstein ins Leben gerufene Initiative „Instrument des Jahres“ rückt jedes Jahr ein Instrument in den Fokus, um Interesse für das Instrument zu wecken. Dass die Tuba mehr Beachtung verdient, steht außer Frage. Und zwar nicht nur aufgrund ihrer imponierenden Maße. Es sind vielmehr ihre Bedeutung im Orchester und ihre Vielseitigkeit, die ihr Gewicht verleihen: Denn die Tuba kann Bass und Beat.
Gewicht kann die Tuba in der Tat auf die Waage bringen. So wiegt die größte Tuba Deutschlands bei einer Höhe von 2,05 Metern imposante 50 Kilogramm. Sie steht im Musikinstrumenten-Museum Markneukirchen, heißt Ilse, wurde in allen Bauteilen maßstabsgetreu gefertigt und ist damit sogar spielbar – lange Arme und eine kräftige Lunge vorausgesetzt. Beides sowie schnelle Finger und einen guten Ansatz hat offenbar Tubist Jörg Wachsmuth. Er spielt die Ilse regelmäßig und zwar in einem rekordverdächtigen Tempo. In 53,82 Sekunden wirbelt er durch Rimski-Korsakows „Hummelflug“ und hält damit den Geschwindigkeitsweltrekord. Ohnehin taugt die Tuba offenbar für Rekorde: Denn auch ihre Länge ist beeindruckend. Würde man die konische Röhre der Tuba ausrollen, würde sie je nach Modell zwischen 3,5 und 5,5 Metern messen. Eine solche Tuba in gestreckter Form ohne Ventile ist ebenfalls im Musikinstrumentenmuseum zu besichtigen. Ihr überdimensionales Schallstück wurde 1913 als Meisterstück gefertigt und wird als spielbares Schaustück auf Festumzügen mitgeführt. Interessant ist die gestreckte Tuba, weil sie auf die Namensgeberin aus dem Römischen Reich verweist: Tuba bedeutet auf Lateinisch nämlich nichts anderes als Rohr und bezeichnete im Römischen Reich ursprünglich ein Blasinstrument aus Messing oder Bronze, das die Form einer geraden, lang gestreckten Röhre mit schmalem Schallbecher besaß.
Abseits musealer Sonderanfertigungen gibt es heute viele verschiedene Bauformen. Die gängigsten Tuben sind heute die Basstuba in Es oder F sowie die Kontrabasstuba in B und C. Darüber hinaus gibt es eine Doppeltuba, die eine Kombination aus den ersten beiden darstellt und mithilfe eines Ventils von B auf C umgeschaltet wird. Die heutigen Bauformen gehen auf die Erfindung von Wilhelm Wieprecht und Johann Gottfried Moritz zurück. In den 1830er-Jahren, kurz nach der Erfindung der Ventiltechnik, beauftragte der preußische Musikinspizient Friedrich Wilhelm Wieprecht den Berliner Instrumentenbauer Moritz ein tiefes, satt klingendes Blechblasinstrument für seine Militärkapelle zu bauen. Schon 1935 konnten die beiden die „Bass-Tuba in F“ mit fünf Ventilen zum Patent anmelden. Die Kontrabasstuba in B und C wurde kurz darauf von Václav František Červený entwickelt und 1846 patentiert. Dank ihres vorteilhafteren Klangs und der präziseren Intonation verbreitete sich die Tuba schnell und ersetzte schon bald ihre Vorläufer, den Serpent beziehungsweise das Basshorn und die Ophikleide. Die begeisterten Reaktionen einiger Komponisten leisteten dazu einen wichtigen Beitrag. Hector Berlioz etwa, der die Tuba auf seiner Durchreise durch Berlin kennenlernte, war hingerissen von der neuen Klangfarbe und bescherte ihr in seiner „Symphonie fantastique“ gleich einen triumphalen Auftritt. Heute ist die Tuba ein selbstverständlicher und unverzichtbarer Bestandteil in der Musikwelt, in den Sinfonieorchestern genauso wie in Ensembles der Blasmusik oder im Jazz als Bläseralternative zum Kontrabass. Mit ihrem tiefen und voluminösen Ton sorgt sie für das Fundament des Blechsatzes und übernimmt als Bassinstrument oft auch eine rhythmische Funktion und ist deshalb eigentlich unverzichtbar für jedes Orchester. Dennoch wird die Tuba oft unterschätzt, mitunter sogar verspottet. Mag sein, dass das an ihrer „etwas absurden Elefantengröße, ihren fast schon cartoonigen Proportionen“ liegt, wie die Berliner Zeitung vermutet.
Die Vorurteile gegenüber der Tuba jedenfalls halten sich hartnäckig, nicht zuletzt in Musikerwitzen wie diesem: „Ein Tubist nimmt die erste Tubastunde und lernt, ein B zu spielen. Begeistert kommt er zur zweiten Tubastunde und lernt ein F. Dann kommt er nicht mehr ... Vier Wochen später trifft der Tubalehrer seinen Schüler zufällig und fragt, warum er denn nicht mehr zum Unterricht komme. Darauf der Schüler: Keine Zeit, zu viele Auftritte.“ Dabei ist die Tuba ein Allrounder, der neben Bass und Beat auch virtuos aufspielen und solistisch brillieren kann. Die Literatur dafür ist längst vorhanden. In allen Genres von Klassik bis Tradition gibt es Werke, die die Tuba als virtuoses Solo-Instrument ins Rampenlicht stellen. Von Ralph Vaughan Williams über Paul Hindemith, Krzysztof Penderecki bis hin zu Eugène Bozza, Leonard Bernstein und John Williams – alle haben sie der Tuba Solo-Werke auf den Leib geschrieben. Und es gibt inzwischen nicht nur zahlreiche Instrumentalisten, die ihr Instrument virtuos und diese Literatur mühelos beherrschen. Nein, es ist heute vielmehr so, dass zahlreiche virtuose Tubisten Komponisten zu neuen Werken inspirieren. Einer von ihnen, Andreas Martin Hofmeir, hat als erster Tubist überhaupt 2013 einen Echo Klassik als Instrumentalist des Jahres erhalten.
Ein anderer, der norwegische Solo-Tubist Øystein Baadsvik, hat nicht nur mehr als 30 Solowerke von Komponisten aus den USA, Russland, Schweden, Norwegen und der Schweiz uraufgeführt und mit eigenen Kompositionen das Repertoire für Tubisten bereichert, sondern mit „Fnugg“ einen neuen Klassiker für Tuba geschaffen. Viele Amateurmusizierende eifern diesen Vorbildern nach und das sind längst nicht nur kräftige Männer. Dank leichtgewichtiger Kinderinstrumente und diverser Hilfsmittel können heute schon Kinder und selbstverständlich auch Mädchen Tuba lernen. Und diese Jungs und Mädchen, die von Anfang an dem „Rausch der Tiefe“ verfallen, gibt es – nur leider nicht genug. Die Initiative „Instrument des Jahres“ wird das hoffentlich ändern.
blasmusik Ausgabe 01-2024 | Martina Faller
Foto: Botschafter der Tuba und Schirmherr der Initiative „Instrument des Jahres 2024“ in Baden-Württemberg ist der Tubist Wulf Wager.
© WagerKommunikation
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