Mit Zauberstab und Krone

Prinzessin und Schauspielerin – das war Martina Silvesters Berufswunsch als Grundschulkind. Auf den ersten Blick ist daraus nichts geworden, auf der Bühne steht Martina Silvester heute dennoch. Die charismatische Flötistin spielt in verschiedenen Orchestern, ist Mitglied in mehreren Kammermusikensembles, gibt Meisterkurse und Workshops und ist dabei viel mehr als nur Musikerin. Die vielseitige Künstlerin im hautnah-Porträt.

Martina Silvester möchte sich in keine Schublade stecken lassen. Sie ist Flötistin, ja, aber nicht nur. „Ich wusste schon im Grundschulalter, dass ich später einmal etwas machen will, das mit Musik, Theater und Literatur zu tun hat“, berichtet sie. Ihre vielfältigen Begabungen und Interessen machten sich schon in jungen Jahren bemerkbar. Sie las und schrieb für ihr Leben gerne, spielte Theater, tanzte Ballett, sang im Chor, nahm Schauspielunterricht, spielte Klavier und Querflöte. Letztere war lang und heiß ersehnt. „Ich habe schon länger Blockflöte gespielt und immer darauf gewartet, auf die Querflöte wechseln zu dürfen“, erinnert sie sich. Mit etwa 12 Jahren hielt sie ihr Wunschinstrument dann endlich in Händen. Dass sich aus ihren vielen Talenten ausgerechnet die Musik durchsetzte, hatte nicht wenig mit ihrer Faszination für die Flöte und viel mit ihrem Musiklehrer zu tun, der früh ihr Talent erkannte und förderte. „Martina, das Orchester wartet“, war er überzeugt und eröffnete ihr die Möglichkeit, als Solistin mit einem Orchester zu spielen – für Martina Silvester „ein unglaubliches Gefühl“, das sie darin bestärkte, die Musik zum Beruf zu machen und Flöte zu studieren. Wenn sie versucht in Worte zu fassen, was sie an der Flöte so schätze und liebe, gerät sie ins Schwärmen. „Dieses Zaubern können ... Die Flöte ist für mich mein Zauberstab, ein Teil meines Körpers, wie ein dritter Arm, mit dem ich über die Atmung verbunden bin.“ Für das Studium ging sie nach München und Paris, ergänzte ihre Ausbildung mit dem Studium der Traversflöte und der historischen Aufführungspraxis und nahm Improvisationsunterricht. Martina Silvesters Ausbildungsweg lässt schon erahnen, dass er nicht in eine feste Orchesterstelle münden sollte. „Ich habe nie Probespiele gemacht, sondern mich früh für einen anderen Weg entschieden“, betont sie. „Warum hätte ich mich für eine Sache entscheiden sollen, wenn ich so viele verschiedene Dinge tun kann.“ Und das tut sie, mit einer großen Offenheit und Begeisterungsfähigkeit für Neues, mit Spontaneität und Temperament – und mit Erfolg, wie die Kritiken nahelegen. „Ihre Konzerte und Projekte sind geprägt von ihrer inspirierenden Bühnenpräsenz und dem Wunsch, durch Musik Menschen zu bewegen und zu berühren“, ist etwa über sie zu lesen.

So hat sie nicht nur als Orchestermusikerin schon mit vielen renommierten Orchestern und mit Dirigenten wie Sir Colin Davis, Valery Gergiev, Krzysztof Penderecki, Friedrich Haider, Shlomo Mintz, Pavel Klinichev, Markus Poschner und Ariel Zuckermann zusammengearbeitet. Vielmehr ist sie auch als Solistin mit verschiedenen Kammerorchestern und als Kammermusikerin in unterschiedlichen Besetzungen sehr aktiv. 2017 etwa gab Martina Silvester ihr Japan Debut als Solistin zusammen mit dem Münchner Bach Orchester und trat dort in angesehenen Konzertsälen wie der Tokyo Opera City Hall und der Izumi Hall Osaka auf. Darüber hinaus gründete sie mit der Pianistin Susanna Klovsky das „Ensemble Clazzic“, tritt seit 2014 als „Duo Naiades“ mit der Harfenistin Feodora-Johanna Mandel auf und bildet seit 2018 zusammen mit der Cellistin Katerina Giannitsioti das „Ensemble Leilani“. Eine intensive Zusammenarbeit und enge Freundschaft verbindet Martina Silvester seit 2011 mit dem israelischen Pianisten und Komponisten Uri Brener. Mit ihm konzipiert und realisiert sie regelmäßig und mit Begeisterung neue Kammermusikprogramme. Auch das jüngste – eine „Corona-Geburt“, wie Martina Silvester sagt. Dafür bringt sie in einem interessanten Programm die Bach-Sonaten in e-Moll und G-Dur zusammen mit den zeitgenössischen Werken des schwedischen Komponisten Henrik Ajax. „Da freue ich mich sehr drauf. Das ist ein spannender Komponist.“ Geprobt wurde schon, die Aufnahmen sind terminiert, nur alles andere ist angesichts der Pandemie gerade schwierig vorauszuplanen. Gerade hat sich für Martina Silvester endlich wieder ein Hauch von Normalität in ihrem Leben als Musikerin eingestellt. Am Vorabend unseres Skype-Interviews hat sie gemeinsam mit den Münchner Philharmonikern ein Konzert bei den Promenadenkonzerten in Innsbruck gespielt. Zum ersten Mal seit Langem hat sie wieder vor Zuhörern gespielt, die ohne Abstand und Maske im Publikum saßen. „Das war seltsam und vertraut zugleich“, findet sie. Genossen hat sie es trotzdem. Endlich wieder Bühnenluft zu schnuppern, endlich wieder Konzertatmosphäre zu tanken. Für Martina Silvester ist das in normalen Jahren eigentlich täglich Brot. Wenn nicht gerade eine Pandemie das Leben auf den Kopf stellt, dann ist sie eine viel gebuchte Flötistin und mit Konzerten ausgelastet. Im September steht nun wieder die erste Konzertreise ins Ausland an und auch für den Oktober sind Konzerte geplant. Noch regiert das Prinzip Hoffnung, dass sie auch stattfinden können, aber die Verunsicherung aus den vergangenen Monaten sitzt tief. „Ich glaube es erst, wenn ich auf der Bühne stehe“, sagt Martina Silvester. Wie so viele andere Künstler hat auch sie ihre Aktivitäten in den virtuellen Raum verlegt, Live-Stream-Konzerte gegeben und online unterrichtet. „Ich habe mich am Anfang dagegen gesträubt, dann aber doch das Positive und Schöne gesehen“, erklärt sie. Selbst ohne die digitalen Möglichkeiten wäre bei Martina Silvester im Lockdown vermutlich keine Langeweile aufgekommen. Sie hat die Pause kreativ genutzt, um zu schreiben, neue Ideen und Projekte zu entwickeln. Denn neben Kammermusikprogrammen konzipiert und realisiert Martina Silvester unter dem Namen „Zauberklang“ auch Konzerte für Kinder und Familien. „Zauberklang“ - der Name kommt nicht von Ungefähr. „Musik kann verzaubern“, weiß sie aus eigener Erfahrung und deshalb möchte sie möglichst vielen Kindern die Chance zu geben, „den kleinen Künstler in sich zu entdecken, die bezaubernde Welt der Musik zu betreten und ihnen damit etwas Prägendes für das ganze Leben zu geben“. Im Lockdown hat sie dafür viele neue Geschichten geschrieben und Kinderkonzerte konzipiert. Darunter auch das Familienkonzert „Yehudis Geige“, in dem sie die Lebensgeschichte des berühmten Geigers Yehudi Menuhin erzählt und das sie im Juni im Künstlerhaus am Münchner Lenbachplatz bereits auf die Bühne brachte. „Kinder sind in der Corona-Pandemie viel zu kurz gekommen“, erklärt sie die schnelle Umsetzung des Kinderprogramms. Genauso wie ihre vielfältigen Talente. Die kommen nirgends so vollendet zur Entfaltung wie in den Kinderkonzerten. Dann spielt sie nämlich nicht nur Flöte, dann moderiert, singt und schauspielert sie und schlüpft in die verschiedensten Rollen. Und irgendwann – dafür wird Martina Silvester bestimmt sorgen – ist sicherlich auch die Rolle einer Prinzessin dabei.

Aktuelles:
Ende September erscheint bei Solo Musica die Debüt CD des Ensembles Clazzic mit Martina Silvester und der Pianistin Susanna Klovsky. Martina Silvester ist Endorserin für die japanische Flötenfirma. Sie spielt eine 14 Karat Vollgold Flöte der Modellreihe Typ 7. In der Miyazawa Academy gibt sie in der Kurslinie Basic auf der Plattform Blasmusik.Digital aktuell Online-Workshops für Flötist:innen.

Info und Anmeldung unter
www.blasmusik.digital
http://www.martinasilvester.org/
http://www.zauberklang-muenchen.de

blasmusik Ausgabe 09-2021 | Autor: Martina Faller
Zum digitalen Kiosk geht es hier: epaper.blasmusix.de 

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